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Home Politics - Die Reform des politischen Systems

 

 

Vorbemerkung

Alle reden von Reform und Transformation. Bei der Veränderung und Weiterentwicklung des politischen Systems in Deutschland sind angekündigte Reformen bisher gescheitert. Dies gilt beispielsweise für die Verkleinerung der Sitze im Deutschen Bundestag (Wahlrechtsreform).

Die Unzufriedenheit, gekennzeichnet durch den Begriff Politikverdrossenheit, ist nicht zu verneinen.

Welche Gründe gibt es, die eine politische Kritik und das Gelingen einer Reform rechtfertigen?

Reformgründe

1. Destabilisierung durch Populismus, Radikalismus und den Versuch, unrealistische Theorien zu verwirklichen (Aktivismus)

2. Geringe Wahlbeteiligung: Bei Bundestagswahlen lag die Wahlbeteiligung (Quote) bis 1983 meist über 85 Prozent, seit 1987 meist unter 80 Prozent. Bei Landtagswahlen liegt sie in der Regel bei mehr als 50 Prozent, bei Kommunalwahlen über 45 Prozent.

3. Geben und Nehmen: viele Interessengruppen melden ihre Vorstellungen an, die befriedigt werden wollen (Intransparenz)

4. Wenig Partizipation: Die geringe Möglichkeit zur Mitgestaltung des Gemeinwesens wird beklagt (Wahlbürger:in).

Organisation

Berufliche Tätigkeit

Es gibt keine geregelte Ausbildung. Alle Personen, die über das aktive und passive Wahlrecht verfügen, sind berechtigt, als Politiker tätig zu sein.

Während in den Kommunalvertretungen regelmäßig Politiker*innen im Nebenamt tätig sind, wird in den Landtagen und dem Bundestag die Tätigkeit als Politiker:in hauptberuflich wahrgenommen.

Politik als Beruf ist umstritten. Als Berufung im Sinne für Tätigkeit zum Gemeinwohl (Polis) ist dies heute wohl nicht mehr zu deuten. Zu groß sind die Einflüsse, als das man die politische Theorie in die Realität übertragen könnte.

Die Politik unterliegt wie alle gesellschaftlichen Bereiche einem Personalproblem: Die richtigen Menschen findet man nicht so einfach. Die Anforderung an den politisch tätigen Menschen sind gestiegen.

Deutschland sollte aufpassen, die Politik nicht ausschließlich an einem Karriereprofil von kommunikativen und machtbewussten Menschen auszurichten. Sondern: Neben einer Quote für Frauen in der Politik wäre eine Quote für Menschen mit der Bereitschaft zum gesellschaftlichen Denken und Handeln erforderlich.

Denn: Der die Wirkung auf die Gemeinschaft denkende Mensch formuliert genereller (Gemeinschaftsinteressen) als der auf bestimmte Interessen festgelegte aktive Mensch (Einzelinteressen).

Stellung

Gewissensentscheidung

Politiker in den Legislativen unterliegen nur ihrem Gewissen.

Kritik:

1. Überwiegend werden Entscheidungen unter dem sogenannten Fraktionszwang getroffen. Nur in wenigen Fällen werden Entscheidungen wirklich frei getroffen.

2. Die Einflussnahme auf politische Entscheidungen wird kritisch diskutiert (Lobbyismus-Affären).

Entgelt

Gewählte Politiker erhalten eine Aufwandsvergütung bzw. Abgeordnetenbezüge.

Kritik:

1. Über die Höhe und Anpassung wird regelmäßig gestritten.

2. Nebeneinkünfte aus Mitgliedschaften in Aufsichtsräten und Vorständen usw. sind durchaus erheblich und müssen der Legislative angezeigt werden. Es wird Kritik an der zeitlichen Wahrnehmung der Nebentätigkeiten und der Unabhängigkeit bei Entscheidungen geübt (Interessenkonflikt).

Repräsentanz

Gewählte Abgeordnete vertreten die Bürger:innen in den festgelegten Wahlkreisen.

Kritik:

1. Der Deutsche Bundestag ist im Vergleich ein großes Organ der Legislative und soll deshalb verkleinert werden.

2. Die geringe Möglichkeit zur Mitgestaltung am Gemeinwesen wird beklagt (Wahlbürger:in).

3. Das Interesse an Politik ist zwar durchaus vorhanden, aber die politische Vertretung ist nicht mehr allgemein anerkannt (geringe Wahlbeteiligung).

Gegenmaßnahmen

Abrüstung

Der Kampf gegen fehlgeleiteten Aktivismus, gegen Populismus und Radikalismus kann nicht nur durch den Rechtsstaat oder durch politische Bildung geführt werden. Die sogenannten Volksparteien müssen ihre Fähigkeit stärken, wieder ein Sammelbecken für unterschiedliche politische Auffassungen zu sein (Volksparteien).

Was als unrealistisch, populistisch und radikal zu kennzeichnen ist, wird vielfach nur den Bürgern übertragen, die aus ideologischer (Aktivist:in), fachlicher (Wissenschaftler:in) oder kommunikativer Sicht (Journalist:in) hierzu Stellungnahmen abgeben. Die sogenannten Normalbürger sollten diese Fähigkeit wieder mehr selbst ausüben. Die Gewalt gegen Politiker:innen muss deutlicher durch ziviles Engagement bekämpft werden: die Sprache und die Handlungen müssen sich der Konvention friedlicher Betätigung anpassen.

Subversive Handlungen wie Hetze und Stimmungsmache sind kein ziviles Engagement, sondern soziopathisch und müssen deshalb in allen gesellschaftlichen Bereichen geächtet werden.

Aufrüstung

Das politische System sollte unverzüglich durch die das System vertretenden Parteien übergreifend verständigt reformiert werden. Das heißt: angekündigte und notwendige Reformen müssen zur Glaubwürdigkeit auch durchgeführt werden.

Die Beteiligungsformen des Volkes an der Meinungsbildung sind zu verbessern und die heutigen Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) sind zu nutzen: z.B. Erklärvideo, eVoting, kollaboratives digitales Mitarbeiten.

Die heutige gute Bildung breiter Bevölkerungsschichten muss mehr für politische Lösungen eingefordert werden. Wenn Home Banking oder Home Office geht, muss auch Home Politics versucht werden. Das bedeutet eben, das die heutigen modernen Arbeitsformen auch für das politische System verfügbar gemacht bzw. gelten müssen. Dazu ist die Infrastruktur der IKT weiter auszubauen.

Die Transformation in die digitale Gesellschaft darf nicht nur als Lösung von Wirtschafts-, Umwelt- bzw. Arbeits- und Bürokratieproblemen betrachtet werden, sondern muss auch als Erweiterung der freiheitlichen Bürgerrechte verstanden werden (eDemokratie).

Reformfähigkeit

Das politische System hat sich seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und unter Berücksichtigung der zwölfjährigen NS-Diktatur in wesentlichen Punkten bewährt.

Die durch die IKT globalisierte technische und wirtschaftliche Welt erfordert zunehmend komplexere und aber auch schnellere und innovative Entscheidungen. Zeit für langwierige demokratische Streitaustragungen oder Entscheidungsfindungen ist in dem System aus geschichtlichen Gründen in der traditionellen analogen Annahme anders vorgesehen. Aufwendige Beratungen und der Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes sind zwar rechtsstaatlich gut gemeint, schützen die Bürger:innen aber nicht mehr wirklich vor der Bedrohung der eigenen Freiheit.

Durch die weltweite Vernetzung ist Deutschland nicht nur innerstaatlicher sondern vermehrt auch internationaler Einflussnahme ausgesetzt.

Die Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse müssen schneller werden. Aber auch die Kontrollinstrumente müssen dem heutigem technischen Stand angepasst werden. Bei der Massenbearbeitung von Informationen wird die künstliche Intelligenz eine zentrale Rolle einnehmen.

Der homo politicus muss sich theoretisch und praktisch auf eine neue Welt vorbereiten und verändern. Wie die übrigen Bürger:innen auch wird sich seine Lebenswelt radikal verändern.

Thesen

  1. Nur wenn das politische System die Radikalität des Veränderungsprozesses selbst begreift und daraus eine Notwendigkeit zum Handeln anerkennt, wird die Reformfähigkeit des demokratischen Systems bewiesen.

  2. Nur wenn die Annäherung der Systeme von Politik/Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gelingt, ist die politische, wirtschaftliche und soziale Stabilität aufrecht zu erhalten.

Einer stärkere Beteiligung der Bürger:innen an der politischen Gestaltung des Gemeinwesens muss daher in der Reform des politischen Systems eine zentrale Stellung eingeräumt werden.

Fazit

Die heutigen Verhältnisse rechtfertigen Veränderungen. Aber eben nicht nur beim homo politicus sondern auch beim homo buerocraticus, homo oeconimucus und homo sociologicus.

Das Volk muss sich insgesamt umfassend den Herausforderungen stellen. So schreibt man das im Zeitgeist. Besser wäre allerdings, wenn digitale Lösungen für die politische Teilhabe ausgedacht, erfunden und verfeinert werden. Wenn das bedeutet, das auch die IKT hierfür genutzt wird, so ist dies wohl als eine konstruktive Verbesserung der Freiheit durch technische Innovation zu deuten.

Das bedeutet, das wir die Freiheit und ihre Grenzen auch in die digitale Welt übertragen müssen. Und das muss für alle gesellschaftlichen Bereiche gelten. Wenn hier ein neues Verhältnis entsteht, so wird dies auch zu regeln sein (Gemeinschaftsrecht). Hierzu sind die Systeme von Politik/Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschäft durch Annäherung anzupassen. Als Hilfsmittel kann die IKT sinnvoll eingesetzt werden (digitale Bürokratie). Insofern dient dann eine Technik auch dem Menschen.

Das heißt auch: Es sind nicht nur die Risiken sondern auch die Chancen von Veränderungen zu betrachten.

Mindmap

Home Politics1. ReformgründeDestabilisierungGeringe WahlbeteiligungGeben und Nehmen2. OrganisationBerufliche TätigkeitStellungGewissens-entscheidungEntgeltRepräsentanz3. GegenmaßnahmenAbrüstungAufrüstung4. ReformfähigkeitRadikalität desVeränderungs-prozessesAnnäherung der Systeme

 

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Wolfgang Kirk

 

Veröffentlicht: 2023-01-29 aktualisiert: 2024-02-07, 18:45 Uhr