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Das Zeitalter moderner Überwachung

 

 

Vorbemerkung

Mehr denn je gilt heute, dass der Mensch sich gegen die Ausbeutung durch den Menschen wehren muss. Das heißt, die menschlich erdachten und geschaffenen Systeme versuchen durch die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) immer mehr Informationen über uns zu erhalten.

Gibt es also wieder einen Menschen, der andere überwacht und neue Hierarchien schafft (homo hierarchicus)?

Überwachungsstaat

Der Überwachungsstaat ist ein,

Staat, der seine Bürger bis ins Kleinste überwacht. Quelle: DUDEN Online, https://www.duden.de/rechtschreibung/Ueberwachungsstaat, [2023-02-03].

Die weltweite Entwicklung macht deutlich, dass der Drang zu zentralen Strukturen und vorgeblich dem Gemeinwohl verpflichteten politischen Systemen mit autokratischen bis hin zu totalitären Verhältnissen stark angestiegen ist.

Allerdings ist die Ausprägung der Überwachung des eigenen Volkes in der VR China schon extrem weit gestaltet, wo die Freiheit des Einzelnen nicht mehr gewährleistet erscheint.

Liberale Demokratien kontinental-europäischer und anglo-amerikanischer Prägung überwachen durchaus die Verhältnisse (Verfassungsschutz, Nachrichtendienste), jedoch hat der Einzelne noch eine garantierte Stellung (Rechtsstaat, Datenschutz), auch wenn dies oft teilweise hysterisch verdichtet aus politischen Gründen nicht zugestanden wird.

Überwachungskapitalismus

Mit der Entstehung des sogenannten kalifornischen Datenkapitalismus hat die wirtschaftliche Betätigung im Zusammenhang mit Informationen und Daten ein neues Niveau erreicht.

Als Überwachungskapitalismus gilt laut DUDEN ein

auf dem Missbrauch [legal oder illegal beschaffter] persönlicher Daten durch Unternehmen basierendes Geschäfts-, Wirtschaftsmodell.
Quelle: Duden Online, URL.: https://www.duden.de/rechtschreibung/Ueberwachungskapitalismus, [2023-01.03].

Während beim Überwachungsstaat der Fokus auf die staatliche Informationsbeschaffung zur Kontrolle liegt, ist heute eine neue Diskussion über die Gefahren privat-wirtschaftlicher Bestätigung im Zusammenhang mit IKT entbrannt (Social Media, KI).

Gläsener Mensch

Die staatliche und kapitalistische Ausbeutung von Informationen und Daten kann im schlimmsten Fall zum sogenannten gläsernen Menschen führen. Damit ist gemeint, dass es prinzipiell keinen freien Raum mehr gibt, in dem der Mensch nicht kontrollierbar ist und kontrolliert wird.

Die Bezeichnung wird heute als Metapher im Bereich des Datenschutzes benutzt:

Sie verweist "...auf die zunehmende Überwachung der Menschen, neue technische Überwachungsmethoden sowie das steigende Interesse des Staates an Informationen über seine Bürger."
Quelle: Merkl, Thomas/Rosenkranz, Florian: Der Gläserne Mensch [Stand: 2010-01-26], Online-Ressource, URL.: http://studies.cyber-tec.org/workshops/der-glaeserne-mensch-handout.pdf, [2023-01-03].

Deshalb ist die Medien- und IKT-Kompetenz eine Schlüsselqualifikation, um dem entgegen zu wirken.

Kritik

Eine einfache Sichtweise von Schwarz und Weiß ist nicht sinnvoll.

Demokratische und totalitäre Herrschaftssysteme neigen in beiden Formen zur Überwachung. In wiefern wirtschaftliche und politische Systeme den Menschen überwachen, hängt von einer möglichst objektiven Betrachtung ab. Dazu bedarf es allgemeingültiger Regeln, die als Maßstab für beide Systemformen gelten.

Darin liegt wahrscheinlich keine Lösung des Problems, jedoch die Erkenntnis, dass man sich weltweit nicht auf einen einheitlichen Standard einigen kann. Dazu sind die Werte doch zu unterschiedlich.

Die vom deutschen Bundesverfassungsgericht entwickelte richterliche Lösung des Instituts der informationellen Selbstbestimmung erscheint als Kompromiss zumindest in Deutschland tatsächlich zu harte Fronten zu vermeiden.

In Deutschland hat man prinzipiell das Recht darüber zu entscheiden, wie und in welcher Form mit den eigenen Daten umgegangen wird. Ausnahmen müssen gesetzlich legitimiert sein.
Vielfach hat man allerdings den Eindruck, dass aus lauter Angst keine digitalen Angebote zur Nutzung von IKT erfolgen. Der Servicegedanke im Zusammenhang mit der Nutzung von IKT ist hier weniger ausgeprägt: 1. keine digitale Staatsangehörigkeit, 2. Online-Zugang beim Staat zwar gesetzlich geordnet (OZG), jedoch nicht gänzlich verwirklicht, 3. in vielen Lebensbereichen ist die IKT noch nicht zur Vereinfachung der Lebenssachverhalte eingesetzt, z.B. Self-Checkout-Kassen im Lebensmittelbereich.

Annäherung der Systeme

Durch die fortschreitende Digitalisierung nähern sich die gesellschaftlichen Bereiche Politik/Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft immer weiter an (Annäherung der Systeme). Die digitale Bürokratie verbindet. Eine entscheidende Rolle spielen damit die Technik und diejenigen, die diese Technik produzieren und programmieren (Anbieter) und anwenden (Nutzer).

Die künstliche Intelligenz erreicht zunehmend die Fähigkeit, den Menschen (teilweise) zu ersetzen. Wann hier staatlicher Schutz notwendig wird, ist gesellschaftlich, juristisch und politisch zu entscheiden.

Angst vor einer Überwachung ist verständlich. Allerdings ist Angst nicht in jedem Fall ein guter Ratgeber. Digitale Aufklärung ist eine Form der Gegenwehr, die eine Angst kanalisieren kann und hilft, sich richtig zu verhalten.

Damit das politische System demokratischer Ausrichtung gestärkt wird, lässt sich die Beteiligung der Bürger:innen anders bzw. neu denken: Die eDemokratie wird duch den Einsatz von IKT durchaus möglich. Ein sogenanntes Wahlbürgertum lässt sich vielleicht zumindest teilweise vermeiden. Insofern kann IKT auch als Chance verstanden werden.

Die neue Hierarchie

Staatliche und privat-wirtschaftliche Überwachung haben eins gemeinsam: es kann eine neue Form von Hierarchie entstehen. Der Begriff der digitalen Spaltung fasst das zusammen, weil damit gemeint wird, das Wissende mehr teilhaben können wie Nicht-Wissende.

Damit dem entgegen gewirkt wird, ist es notwendig, die Kompetenzen zur richtigen Nutzung der IKT zu vermitteln bzw. zu fördern. Darüber hinaus sind die Produktionsverfahren der IKT stärker zu betrachten und zu bewerten (Technikfolgenbewertung). Derzeit liegt der Fokus zu eng auf der umweltverträglichen Herstellung und Nutzung der IKT (Ressourcenbewertung).

Welche Freiheit die IKT für den Menschen und seine Umwelt haben kann, wird von Befürwortern und Gegnern häufig zu ideologisch einseitig diskutiert und disputiert.

Ein solcher Streit ist durchaus im Sinne einer demokratischen Streitkultur als grundsätzlich positiv einzuordnen. Jedoch müssen auch in liberalen Demokratien letztlich gesellschaftlich getragene Entscheidungen getroffen werden. Außerdem befindet sich Deutschland in diesem Bereich in außergewöhnlich starker Konkurrenz zu anderen Staaten.

Zusammenfassung

Die IKT kann das Leben des Menschen vereinfachen und auch schützen. Insofern ist der technologische Wandel hin zur digitalen Gesellschaft wohl als positiv zu beurteilen. Allerdings gibt es auch technologische Folgen, die dem Menschen durchaus gefährlich werden können, weil die Freiheit bedroht wird bzw. werden kann.

Wie bei jeder Technik, gibt es auch hier den sogenannten Doppelnutzen: IKT die uns hilft, unsere menschliche Daseinsform ethisch zu legitimieren (konstruktive Nutzung) und IKT, die diese menschliche Daseinsform bedroht (destruktive Nutzung).

Andere Länder, andere Sitten. Wenn sich in Deutschland nicht letztlich der Servicegedanke auch bei der Einführung und Nutzung von IKT durchsetzt, ist davon auszugehen, das der Wohlstand nicht aufrecht erhalten werden kann.

Exzessiver Technikeinsatz sowie eine vorhandene latente Technikfeindlichkeit sind Gestaltungsformen, die nicht akzeptiert werden können. Auch solche Zwänge gefährden die Freiheit, weil darunter alle leiden müssen.

Eine liberale Gesinnung erscheint besser geeignet zu sein, die informelle Selbstbestimmung auch als Freiheitsgedanke sinnvoll zu gestalten.

Politische Systeme wie beispielsweise totalitär geführte Staaten scheiden deshalb als Beispiele für eine freiheitlich gestaltete Welt aus.

 

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© Wolfgang Kirk

Veröffentlicht: 2023-01-28, aktualisiert: 2023-02-03, 20:00