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Die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung in der Kritik
Ausgehend von den Überlegungen in Deutschland über die Aufgaben des Staates in den 1980iger Jahren und ergänzt durch die Anregung der OECD zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung, ist in den 1990iger Jahren die Verwaltungsreform auch in Deutschland begonnen worden. Die Bemühungen sind gekennzeichnet durch den Begriff Reformverwaltung.
Leider hat sich der erwartete Erfolg nicht so eingestellt, wie damals vorausgesetzt wurde. Heute ist man, zumindest in der wissenschaftlichen Welt, überwiegend der Meinung, die Verwaltungsreform im Sinne des New Public Management sei überholt.
In Anlehnung an die Reformen in Großbritannien, eingeleitet von der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher (Eiserne Lady), zielten die Reformen vorrangig auf die deutliche Verbesserung der Wirtschaftlichkeit im öffentlichen Sektor.
Als Mittel hierzu dienten in der Hauptsache:
1. die Übertragung von Spitzenfunktionen im öffentlichen Sektor an Personen aus der Wirtschaft bzw. Personen mit speziellen wirtschaftlichen Kompetenzen (Elitewechsel)
2. die Übernahme von Handlungsmethoden aus der Wirtschaft in den öffentlichen Sektor (Strategiewechsel)
3. der Rückzug des Staates durch Privatisierung, z.B. Bahn, Post, Fernmeldeamt, Postgiroamt (Aufgabenträgerwechsel).
Wesentliche Ansätze der Kritik am New Public Management sind:
1. keine Beteiligung von Bürgern außerhalb einer Elite (Politik, Wirtschaft, Wissenschaft) an der Konzepterstellung (Partizipationsmangel)
2. keine Kritik an den wirtschaftlichen Handlungsmethoden vor der Übernahme (Kritikmangel)
3. keine klare Definition des gesellschaftlichen Erfolges von Veränderungsprozessen (Erklärungsmangel).
Viele Reformen innerhalb und außerhalb der Verwaltung haben vergleichbare Ursachen für ein Scheitern. Das trifft wohl auch für die spezielle Reform des New Public Management zu.
Das Vertrauen alleine darauf, durch die Übertragung wirtschaftlicher Handlungsmethoden in den öffentlichen Sektor wäre eine Reform realistisch zu gestalten, war trügerisch. Denn viele weitere Teilreformen scheitern zum Beispiel an dem signifikant hohen Grad der Hierarchie in der öffentlichen Verwaltung.
Ob und wieweit die Reformverwaltung tatsächlich vielleicht sogar gescheitert ist, bleibt letztlich einer wissenschaftlichen Untersuchung und Analyse der Untersuchungsergebnisse unter rationalen Aspekten vorbehalten. Gleichwohl sollten auch praxisrelevante Themen und Thesen in die Untersuchung einfließen, damit eine Realitätsnähe zumindest ansatzweise erreicht werden kann.
Inwieweit die Untersuchungsergebnisse politisch anerkannt werden, ist heute nicht zweifelsfrei sicher zu beurteilen. Zu groß sind die Begehrlichkeiten, mit Staatsreformen Politik betreiben zu wollen.
Generell bleibt anzumerken, dass eine Reformkrise deshalb entstehen kann, weil
1. zu weitreichende Systemveränderungen beabsichtigt werden (falsches Zielsystem),
2. der Reformerfolg politisch und wirtschaftlich übertrieben dargestellt wird (falsche Erwartungshaltung),
3. keine Kritik an der Realisierung wirklich zugelassen wird (falsche Durchsetzung)
Das Hauptaugenmerk bei Reformen ist damit auf folgende Merkmale zu richten: 1. Zielsystem, 2. Erwartungshaltung, 3. Durchsetzung.
Eine vorläufige Bewertung der bisher durchgeführten Verwaltungsreformen lässt erkennen, dass die Ausrichtung auf die wirtschaftlichen Handlungsformen dem Charakter der öffentlichen Verwaltung nicht gerecht wird.
Damit ist die öffentliche Auftragswahrnehmung geschwächt bzw. nicht wirklich real. Der Rückzug des Staates und der Sparzwang verführen dazu, öffentliche Aufgaben in der gesellschaftlichen Wirkung herunter zu reden (Relativierung). Teilweise werden dem öffentlichen Sektor zuzuordnende Aufgaben nicht wahrgenommen, weil die Steuergelder hierfür nicht vorhanden sind (Finanzierungsproblem).
Die Vertretung öffentlicher Aufgaben hängt damit wesentlich davon ab, die Relativierung öffentlicher Auftragswahrnehmung einzudämmen und die Finanzierung notwendiger Bereiche sicher zu stellen.
Çolak, Çağrÿ D.: Why the New Public Management is Obsolete: An Analysis in the Context of the Post-New Public Management Trends, DOI: 10.31297/hkju.19.4.1
de Vries, Jouke: Is New Public Management Really Dead?, DOI: 10.1787/budget-10-5km8xx3mp60n
Wolfgang Kirk
Veröffentlicht: 2022-10-08 aktualisiert: 2024-02-08, 07:00 Uhr